D a S t H E m a Abb. 3: Knochenmarkbiopsie zeigt eine Polycythaemia vera (PV). a: HE-Färbung hyperzelluläres Knochenmark. b: Immun-Histochemie (CD61): Hyperplasie der Megaka- ryopoese mit hyperlobulierten Megakaryozyten. c: Immunhistochemie (CD71): Hyperplasie der Erythropoese, vergrößerte Inseln der Erythropoese a b c risiko erreichen ließen. 127 Patient:innen wurden randomisiert, entweder in den Standardarm mit Aderlass-Therapie und niedrig- dosierter ASS-Gabe oder in den experimentellen Arm mit nied- riger Dosis Ropeginterferon alfa-2b mit 100µg s. c. alle 2 Wochen zusätzlich zur ASS-Gabe und Aderlasstherapie. Als Endpunkt galt eine Hämatokritkontrolle unter 45 Prozent bei fehlendem Krank- heitsprogress. Aufgrund klarer Überlegenheit des Experimentarms mit Ropeginterferon alfa-2b wurde die Studie vom Data Safety Monitoring Board vorzeitig gestoppt. 84 Prozent der Patient:innen im Interferon-alfa-Arm erreichten eine Hämatokritkontrolle unter 45 Prozent ohne Vorliegen einer Krankheitsprogression, während im Standardarm dies nur 60 Prozent der Patient:innen erreichten. Auch die weitere 2-Jahres-Nachbeobachtung mit Crossover-Mög- lichkeit bestätigte diese Ergebnisse. Diese drei Studien zeigen, dass ein Absenken der JAK2-Allellast durch Ropeginterferon alfa mit ei- ner besseren Ansprechrate, besserem progressionsfreien Überleben (PFS), ereignisfreiem Überleben (EFS) und Gesamtüberleben (OS) assoziiert waren (9, 12). Pathophysiologisch führt die immunmodulierende Wirkungsweise von Interferon alfa einerseits zur Aktivierung von T-Zellen und na- türlichen Killerzellen (NK), die einerseits JAK2-mutierte maligne Zellen attackieren und andererseits die inflammatorische Situation im Knochenmark günstig beeinflussen können. JaK2-allellast und ruxolitinib Der JAK-Tyrosinkinase-Inhibitor Ruxolitinib ist bei der PV als Zweitlinientherapie zugelassen. In der kürzlich erschienenen ran- domisierten MAJIC-PV-Phase-II-Studie mit 180 PV-Patient:innen, die resistent oder intolerant bezüglich Hydroxyurea waren, wur- de erstmalig gezeigt, dass auch der JAK-Inhibitor Ruxolitinib die JAK2-Allellast signifikant senken konnte. Mit einer medianen Zeit bis zum molekularen Ansprechen von 36 Monaten konnte im Ru- xolitinib-Arm eine stärkere JAK2-Allellast-Reduktion von über 50 Prozent bei 56 Prozent der Patient:innen erreicht werden im Ver- gleich zum Standardarm mit BAT für PV mit nur 25 Prozent der Patient:innen. Des Weiteren führte die Therapie mit Ruxolitinib gegenüber der BAT zu einem signifikant verbesserten progressi- onsfreien Überleben, zu ereignisfreiem Überleben und besserem Gesamtüberleben (13). Nebenwirkungen und Kontraindikationen von ropeginterferon alfa Interferon alfa wird seit Jahren bei verschiedenen Indikationen eingesetzt. Mit der Einführung der pegylierten Form verbesserte sich die Nebenwirkungsrate zwar deutlich im Vergleich zum unpe- gylierten Interferon alfa, ist aber immer noch beachtenswert und Grund für Patient:innen, die Therapie vorzeitig abzubrechen. 11 von 127 (8,7 Prozent) im Ropeginterferon-Arm gegenüber nur 3 von 127 (2,4 Prozent) im Standardarm (BAT mit hauptsächlich Hy- droxyurea) beendeten die Therapie wegen Nebenwirkungen in der PROUD-PV-Studie vorzeitig. Die häufigsten Nebenwirkungen einer Therapie mit Ropeginterfe- ron sind entsprechend der Fachinformation: Leukopenie (20,2 Pro- zent), Thrombozytopenie (18,5 Prozent), Arthralgie (13,5 Prozent), Fatigue (12,4 Prozent), erhöhte Gamma-Glutamyltransferase (11,2 Prozent), grippeähnliche Erkrankung (11,2 Prozent), Myalgie (10,7 Prozent), Anämie (9,6 Prozent), erhöhte Alanin-Aminotransferase (8,4 Prozent), Neutropenie (7,9 Prozent), Pyrexie (7,9 Prozent), erhöhte Asparat-Aminotransferase (7,3 Prozent), Pruritus (6,8 Prozent), Schmerzen in den Extremitäten (6,7 Prozent), Alopezie (6,7 Prozent), Kopfschmerzen (6,2 Prozent), Diarrhö (5,7 Prozent), Reaktion an der Injektionsstelle (5,6 Prozent), Schüttelfrost (5,1 Prozent) und Schwindel (5,1 Prozent). Schwerwiegende Neben- wirkungen sind Depressionen (1,1 Prozent), Vorhofflimmern (1,1 Prozent) und akute Stressstörungen (0,6 Prozent). Patient:innen mit schweren psychiatrischen Störungen, wie schwe- ren Depressionen, schweren kardiovaskulären Erkrankungen, stattgehabter oder bestehender Autoimmunerkrankung, dekom- pensierter Leberzirrhose (Child-Pugh B oder C), terminaler Nie- reninsuffizienz und vorbestehender Schilddrüsenerkrankung soll- ten nicht mit Ropeginterferon behandelt werden, sofern sie nicht mit konventioneller Behandlung kontrolliert werden können. Wei- tere Kontraindikationen für Ropeginterferon sind Überempfind- lichkeit gegenüber dem Wirkstoff, Kombinationen mit Telbivudin und immunsupprimierte Transplantatempfänger (14). Neue therapieansätze mit Hepcidin-mimetikum zur Kontrolle der Erythrozytose Hepcidin ist ein hauptsächlich in der Leber gebildetes Peptidhor- mon, das den Eisentransport reguliert. Es wird hochreguliert durch zirkulierendes Eisen und inflammatorische Zytokine und herunter- reguliert durch gesteigerte Erythropoese im Knochenmark. Hepci- din bindet an Ferroportin, das den Export von intrazellulärem Eisen in die Blutbahn blockiert und somit zur Reduktion des Serumei- senspiegels und zu einer reduzierten Transferrinsättigung führt. Der verminderte Export von Eisen ins Blut ruft einen funktionel- len Eisenmangel hervor, der zu einer verminderten Erythropoese führt. Präklinische Modelle legen die Vermutung nahe, dass eine gesteigerte Hepcidin-Aktivität bei PV-Patient:innen ein wirksamer Mechanismus zur Kontrolle der Eryhtrozytose und zur Minderung der Symptome der PV sein könnte. g r o e G . t S k i n i l K s o i p e l k s A © 16 H a m B u r G E r Ä r z t E B l a t t 0 2 | 2 0 2 5